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Wie es mit dem Rahmenabkommen mit der EU weitergehen soll, darüber herrscht in der Schweiz grosse Uneinigkeit. Der Bundesrat wird demnächst darüber entscheiden. Mit dem Ziel, den gegenseitigen Marktzugang zu konsolidieren und zukunftsfähig zu machen, haben die Schweiz und die Europäische Union (EU) über ein institutionelles Abkommen verhandelt.

Das Rahmenabkommen (InstA) das Herr Balzaretti als Unterhändler nach Bern gebracht hat ist mit unscheinbaren Widerhaken verknüpft. Trotzdem, Economie Suisse und Petra Gössi als Parteipräsidentin der FDP rief den Bundesrat schon vor einem Jahr dazu auf, das Abkommen zu unterschreiben. Solche Forderungen sind vom Verband heute nicht mehr zu vernehmen, es wurde auch dort bemerkt, dass es besser ist ein paar «Klärungen» vorzunehmen.

glp

Die grünliberale Partei mit ihrer Fraktionschefin Tiana Angelina Moser wäre ohne Vorbehalt bereit dieses Abkommen jederzeit zu unterschreiben. Blind vor Begeisterung für die EU, ist sie leider die Trittbrettfahrerpartei ohne Gewissen in der Schweiz. Vielleicht ist ihr Drang nach Europa der Erfolglosigkeit in der Schweiz geschuldet. Die einzige grosse Tat seit Gründung 2007 bestand in der Unterschriftensammlung und die zur Abstimmung gebrachte Initiative «Energie- statt Mehrwertsteuer» welche von 92% der Stimmberechtigten und Kantone verworfen wurde.
Da im Rahmen des Landwirtschaftsabkommens aktuell Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU im Bereich Lebensmittelsicherheit geführt werden, hat die EU eine explizite Ausnahme abgelehnt. Die grünliberale Partei möchte da bereits wieder die Fortschrittlichste  sein im Akzeptieren der neuen Technologie, der «grünen Gentechnik» huldigend mit der Gen-Schere Crispr/Cas 9, welche kleinste punktuelle Veränderungen am Erbgut erlaubt. Der Bundesrat will das Verbot gentechnisch veränderter Pflanzen verlängern. Das Moratorium soll gemäss dem Bundesrat auch für die neue Genom Editierung gelten.

Augen zu und durch

Die grünliberale Partei wäre nicht grün-LIBERAL, wenn sie nicht auch zu allem Übel die Tierquälerei in den Schlachthöfen, der Nutztierhaltung und den grausamen Transport in der EU auf den Strassen und wochenlangen Schiffsfrachten mit ihrer Zwängerei für einen EU Beitritt ignoriert. Einem Verbund beizutreten bevor eine gesunde Agrarpolitik Tatsache ist und der Tierschutz in der gesamten EU eine Rolle spielt ist für die schweizerische Bevölkerung zu früh. Das Rahmenabkommen missbraucht die grünliberale Partei für einen Beitritt in Raten. Wir wollen die Einzelheiten hier unterlassen, welche Qualen die Nutztiere, innerhalb der EU und sobald sie die EU Grenzen überschritten haben, auf ihren wochenlangen Fahrten erleben müssen.
Parteipräsident Jürg Grossen und die Fraktionspräsidentin Tiana Angelina Moser stellen Nebenwirkungen ihrer Einstellung für einen verdeckten EU Beitritt und die sofortige Akzeptanz des Rahmenabkommens in einer Kosten- Nutzen Rechnung nicht in Frage.

Einen EU Beitritt, wie das auch viele andere im National- und Ständerat wünschen, könnte dann zu Überlegungen anregen, wenn die EU die Lebensbedingungen aller Lebewesen in allen Mitgliedsländern einer humanistischen Gesellschaft würdig ist. Es gibt viele EU Turbos im Parlament, aber das soll in einem gesonderten Blog zum Thema werden.

Allergien für das Volk

Auch gehört zur Geschichte der «Bilateralen I und II» die Übernahme der Lebensmittelverordnung (LVO) von 2004. Bis zum Zeitpunkt der «Bilateralen II» kannte die Bevölkerung in der Schweiz nur sehr wenige Allergien. Vor der Übernahme der LVO prognostizierte die Schweizerische Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (SGAI) mit der Ausweitung der Zulassung von Zusatzstoffen analog zur EU eine grosse Zunahme von Allergien. Das bestätigt sich heute zum Leidwesen unzähliger Betroffener.

Rechtssicherheit für Kompass Europa und Autonomiesuisse

Der Bundesrat hat zu lange versucht, das Kapitel «EuGH» unter den Teppich zu kehren. Schliesslich war es ja nur die SVP welche dauernd von «Fremden Richtern» geplaudert hat. Alle gegen die SVP heisst das Erfolgsrezept von Operation Libero. Glücklicherweise gibt es noch genügend Dogma freie Menschen in diesem Land. Die neu formierten Bewegungen «Kompass Europa» mit dem Gründer der Partners Group um Alfred Gantner und die «Autonomiesuisse» um den Transportunternehmer Hans-Jörg Bertschi wollen nichts anderes als ein faires Rahmenabkommen, das Rechtssicherheit garantiert. Sie stehen beide diskussionslos hinter der Weiterführung der Bilateralen.

Rechtssicherheit für Progresuisse

Interessant ist die neu gebildete Formation für die Weiterführung der Bilateralen «Progresuisse». Ein ganzseitiges Inserat in der NZZ von Mitgliedern der neu gegründeten Progresuisse mit dem Titel «Ja zum Rahmenvertrag».

Wo sind die  Unterschiede?

Bei «Kompass Europa» und «Autonomiesuisse» (KE+A) will man beim ausgehandelten Rahmenabkommen den Lohnschutz wie ihn die Gewerkschaften verteidigen, nicht aufgeben.
«Progresuisse» interessiert sich nicht für die FLAM.
Bei den staatlichen Beihilfen will KE+A den Status Quo in der Schweiz erhalten und selbst darüber entscheiden, wem und wo der Staat Beihilfen zukommen lässt. Progresuisse will die Beihilfe Regelungen der EU übernehmen.
Bei der UBRL will die KE+A Rechtssicherheit, dass diese nicht übernommen werden muss. Der Streitbeilegungsmechanismus mit dem EuGH als letzte Instanz und Parteinehmer der EU als Vertragspartner lehnt man wegen Voreingenommenheit ab. Auch Richter sind Menschen die auf Vorteile schielen. Wer das Rechtssystem kennt, weiss, Recht haben und Recht bekommen sind nicht das gleiche.

Bei Progresuisse steht man zum ausgehandelten Vertrag mit allen Mängeln und will ihn so in Kraft setzen, mit allen Nachteilen für die Bevölkerung wie oben beschrieben.

Der grosse Unterschied zeigt sich bei den Auswirkungen auf die Vertreter dieser Bewegungen. Während man bei «Kompass Europa» und «Autonomiesuisse» vor allem Mitglieder und Unterstützer bei Lohnabhängigen, grossen und kleinen Unternehmen, Kultur und Sport findet, sind bei Progresuisse als Mitunterzeichner des Inserates 27 aktive und ehemalige Bundespolitiker, mit Begeisterung für einen Beitritt zur EU, 22 Universitätsrektoren und Professoren sowie 12 Mitglieder des RETCH (Research, Think, Change) eine wissenschaftliche Gesellschaft. Während sich die Elite der Politik und Bildung bei Progresuisse mit meist grosser staatlicher Unterstützung und orbitanten Löhnen keine Sorgen um Einkommen, europäische Jobs und Altersvorsorge machen muss, sieht das bei der Mehrheit des Volkes in der Schweiz anders aus. Diese wollen sich wegen der Unionsbürgerrichtlinie nicht die Butter vom Brot stehlen lassen.
Der Präsident der Swiss Re Walter B. Kielholz wirbt in der SRF Samstagrundschau für eine Versachlichung der Diskussion. Darunter versteht er den Eifer mit dem das Abkommen schlecht geredet werde. Er diagnostiziert «Wahnvorstellungen», «krankhafte Fieberschübe» «Opportunismus» und meint von sich ganz sachlich emotionsfrei, «dass es seltsam sei, ein Finanzgenie eines Hedge-Funds wisse was in der Europapolitik zu tun sei».
Arroganz ist noch nicht ausgestorben. Kielholz möchte das der obersten Elite der Hochschulen und Vertretern von Versicherungsunternehmen mit Einkommen ab CHF 250’000.00 – 10 Mio. überlassen.

Stein des Anstosses: Unionsbürgerrichtlinie UBRL

Die Unionsbürgerrichtlinie ist nicht Teil des vorliegenden Rahmenabkommens. Es bräuchte explizite Verhandlungen, welche die EU jederzeit einfordern kann. Bei einem NEIN der Schweiz könnte die EU theoretisch trotzdem den ratifizierten Rahmenvertrag mit der Guillotineklausel einseitig kündigen. Die Kündigung würde alle 120 Verträge inkl. den Freihandelsvertrag von 1972 treffen. Dank der dynamischen Rechtsübernahme welche von Christa Tobler, Professorin für Europarecht an den Europainstituten der Universität Basel und der Universität Leiden und Astrid Epney ordentliche Professorin für Völkerrecht, Europarecht und schweizerisches öffentliches Recht an der Universität Freiburg gerne als Instrument zum Beweis für Souveränität offeriert ist in Wahrheit eine Falle.  Wer die schweizerische Politlandschaft kennt, weiss, niemals würde die Schweiz eine solche Kündigung in Kauf nehmen. Politiker in Bern würden , mit ein bisschen Zeitaufschub und «gut zureden» dem Volk klarmachen, dass es aus vielerlei Gründen wichtig ist, die UBRL zu übernehmen. Es dürfte das gleiche Muster zur Anwendung kommen wie mit der Personenfreizügigkeit. Da hat man die Einwanderungszahlen grob geschätzt. Rechnen ist nicht die Stärke in der Verwaltung, Avenir Suisse, das gerade einmal mit CHF 75 Mio. jährlichen Sozialkosten rechnet, wäre direkt ein Wunder. Rechenkünste hat auch schon die alt Bundesrätin Ruth Dreifuss mit der Einführung der obligatorischen Krankenkasse und alt Bundesrat Rudolf Merz mit der Unternehmensbesteuerung  bewiesen. Dass unsere gut ausgebauten Sozialsysteme kollabieren würden nehmen unsere  EU Turbos im Parlament in Kauf. Da sprechen Experten und Politiker aller Couleurs von der akut gefährdeten Altersvorsorge und verniedlichen gleichzeitig die geringe Zusatzbelastung (Avenir Suisse) für die Sozialwerke! Und was die UBRL noch beinhaltet und niemand darüber spricht: Aktives und passives Wahlrecht! Schnell käme jemand auf die Idee zu klagen, um auch das Recht auf Abstimmungen beim EuGH zu erzwingen.

EuGH

Wer aber den EuGH als Instanz für Streitigkeiten in einem Vertrag stehen hat, ist dem Vertragspartner ausgeliefert. So würde es nicht lange dauern bis der erste Prüfstein als Präjudiz vor der Haustüre warten würde, um Klarheit über die Unionsbürgerrichtlinie zu erhalten. Es gäbe nicht mal Streit. Wer am Binnenmarkt teil nimmt, akzeptiert die Binnenmarktgesetze des Vertragspartners. Die Grundfreiheiten der EU wird sie nicht mit der Schweiz diskutieren. Dort steht unmissverständlich:

Die Ziele und Werte der Europäischen Union sind u.v.a. «Alle EU-Bürgerinnen und -Bürger haben das Recht und die Freiheit, selbst wählen zu können, in welchem EU-Land sie arbeiten, studieren oder ihren Ruhestand verbringen möchten. Jeder Staat muss Bürger aus der Union in punkto Beschäftigung, Sozialleistungen und Steuern genauso wie seine eigenen Bürger behandeln…Der Binnenmarkt ist der wichtigste Motor der EU-Wirtschaft».

Die EU vertritt die Meinung, dass die UBRL integral eine Weiterentwicklung der Personenfreizügigkeit darstellt. Im vorliegenden Vertragsentwurf findet die UBRL keine Erwähnung. Die Schweiz konnte keine explizite Ausnahme im InstA erreichen, wonach sie nicht verpflichtet ist, die UBRL zu übernehmen. Und jetzt folgt der grosse Trick: Im Falle einer Meinungsverschiedenheit in Bezug auf die Frage der Übernahme der UBRL würde der Streitbeilegungsmechanismus des InstA zur Anwendung kommen. Der EuGH hätte das letzte Wort und bei Ablehnung des Urteils durch die Schweiz müsste sie sich mit «Milliarden freikaufen».

Plan B, und das Rahmenabkommen mit Japan

Eigentlich müsste der Bundesrat Konsequenzen ziehen und sich Zeit für einen Plan B nehmen. Aber auch wenn der jetzt nicht vorhanden ist, geht die Schweiz nicht unter.
Die Offenheit, welche die EU im Rahmenabkommen Japan gegenüber bringt, könnte doch ein Wegweiser für einen Plan B sein. Insbesondere das Streitschlichtungsverfahren in Artikel 43 des Abkimmens ohne den EuGH könnte übernommen werden.
Das ganze Abkommen über eine strategische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Japan andererseits ist als HTML über diesen Link abrufbar.

Die hohe Arbeitsethik, Bildung, Innovation, Agilität und »Nische Qualität« in der Schweiz sind die Grundlagen unseres Wohlstandes. Die bilateralen Verträge sind wichtige Bausteine um unseren Wohlstand zu erhalten. Die Exportwirtschaft braucht internationalen Marktzugang ohne die Übernahme als Nicht-Mitglied der EU der 4 Grundfreiheiten, worauf der Binnenmarkt aufgebaut ist. Die Schweiz ist der viertwichtigste Handelspartner der EU. Damit sollten wir stolz und ohne falsche Hemmungen auf dem Parkett tanzen. Die EU wird sich schwer tun und versuchen die Schweiz zu «bestrafen».

David gegen Goliath

Wir sollten die «David»-Rolle annehmen und sich auf unsere Stärken konzentrieren. Wir torpedieren uns selbst wenn wir Arbeitnehmer, und bis vor ein paar Jahren sogar Hochschulprofessoren, mit 65 in Rente schicken, statt ihre Erfahrung, ihr Fachwissen und Können solange es geht zu nutzen.

Keine Entschuldigung in Brüssel, wie das Herr Gantner und Herr Philip Erzinger von «Kompass Europa» vorschlagen. Wir führten keinen Krieg gegen die EU. Deutschland hat 30 Mio Russen umgebracht, und sich bis heute nicht entschuldigt. Das wären Gründe einer Entschuldigung, aber nicht die Ablehnung eines Vertrages wegen ein paar Jahre Verwaltungskosten.

Der Druck der von der EU über das Rahmenabkommen auf die Schweiz ausgeübt wird, sollte uns nicht dazu verleiten zuviel Gewicht der Abhängigkeit vom Exportsektor zu geben. Ein Vertrag der mit einer Guillotineklausel – die Schweiz würde diese ja nie aktivieren – verbunden ist, wird faktisch zum Damoklesschwert und sollte nicht aus Angst akzeptiert werden. Wobei Abstimmungen die an die Angst vor Arbeitsplatzverlust appellieren, immer gewonnen werden.

Wir täten gut daran, den Export gekoppelt mit Bildung, auch in andere Länder ausserhalb der EU mit modernen Finanzierungsprogrammen und Nachhaltigkeitsvorgaben zu intensivieren und zur Entwicklung anderer Länder beitragen. Eines Tages werden wir sonst feststellen müssen,  nicht weitsichtig genug gewesen zu sein. Flucht und Migration aus benachteiligten Ländern, man denke auch ans Klima, sind Herausforderungen die auf uns alle warten.